Auch die fünfte Runde der Lohn- und Gehaltstarifverhandlungen für die rund 890.000 Beschäftigten im Bauhauptgewerbe wurden am 22. September 2021 ohne Ergebnis abgebrochen. Die Gewerkschaft hat Streiks in Aussicht gestellt, falls die weiteren Verhandlungen oder gar eine Schlichtung nicht von Erfolg beschieden seien.
Selbst nach fünf Verhandlungsrunden sei die Gewerkschaft nicht zu ergebnisorientierten Lohn- und Gehaltstarifverhandlungen bereit, so die harsche Kritik der Arbeitgeberseite. Sowohl bei den moderierten Spitzengesprächen als auch in der Schlichtung der letzten Tarifrunde habe Einigkeit darüber bestanden, dass die Frage der Wegstreckenentschädigung Gegenstand des Bundesrahmentarifvertrags und nicht der Lohn- und Gehaltstarifverträge sei. Davon sei die Gewerkschaft allerdings in den laufenden Verhandlungen wieder abgerückt. „Wir wären bereit gewesen, durch ein wesentlich verbessertes Angebot eine Einigung in den Lohn- und Gehaltstarifverhandlungen unter Einbeziehung der Ost-/West-Angleichung zu erreichen“, erklärte Uwe Nostitz, Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite und Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB). „Wir hätten erwartet, dass die Gewerkschaft ernsthafter an einer Entgeltsteigerung interessiert gewesen wäre.“
Jutta Beeke, Vizepräsidentin der BAUINDUSTRIE, ergänzte: „Wir hätten heute gerne ein Ergebnis erreicht, auch im Sinne der Beschäftigten unserer Betriebe. Dadurch, dass die Gewerkschaft immer wieder die Wegstreckenentschädigung zum eigentlichen Schwerpunkt der Verhandlungen machen wollte, war kein Abschluss der Entgeltrunde möglich.“
Es ist davon auszugehen, dass die Arbeitnehmerseite im nächsten Schritt die Zentralschlichtungsstelle anrufen wird.
Streiks im Herbst möglich
Dies ist der Hintergrund, vor dem sich die Situation im Zusammenhang mit dem aktuellen Tarifkonflikt am Bau derzeit zuspitzt. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) hat angekündigt, dass sie von einem „Fifty-fifty-Risiko“ ausgeht, dass es im Herbst zu einem bundesweiten Streik auf dem Bau kommen werde. Nach dem ergebnislosen Abbruch der Verhandlungen, hat sich die Bundestarifkommission der IG BAU Ende September einstimmig dafür ausgesprochen, die Schlichtung anzurufen. Schlichter für das Bauhauptgewerbe wird der Präsident des Bundessozialgerichts sein, Prof. Dr. Rainer Schlegel.
„Die Schlichtung ist die letzte Chance: Entweder die Arbeitgeber geben ihre Blockadehaltung auf oder es kommt zum bundesweiten Streik auf den Baustellen. Dann liegt der Bau in Deutschland lahm. Das betrifft den Straßenbau – Autobahnen zum Beispiel – genauso wie den öffentlichen und privaten Gebäudebau“, sagt Robert Feiger. Der IG BAU-Bundesvorsitzende spricht von einer „enormen Entschlossenheit auf dem Bau, die Hinhaltetaktik der Arbeitgeber nicht länger mitzumachen“.
Wegezeitentschädigung bleibt Knackpunkt
Ein Knackpunkt im Tarifkonflikt der Gewerkschaft mit dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) und dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) ist nach Angaben der IG BAU die sogenannte Wegezeitentschädigung: „Insbesondere beim Ausgleich für die oft langen Anfahrten zu den Baustellen müssen die Arbeitgeber ein akzeptables Angebot auf den Tisch legen“, sagt Carsten Burckhardt. Er ist im IG BAU-Bundesvorstand für das Bauhauptgewerbe zuständig. Auch in puncto Lohnerhöhung und Angleich der Ostlöhne ans Westniveau müssten sich die Arbeitgeber „noch erheblich bewegen“. Die IG BAU fordert in der aktuellen Tarifrunde neben der Wegezeitentschädigung und dem Ost-West-Lohnangleich ein Einkommensplus von 5,3 Prozent.