So werden Azubis die Ausbildung lieben

Gründe für einen Ausbildungsabbruch gibt es viele. Einigen können ausbildende Unternehmen frühzeitig vorbeugen.


14.03.2022 - Per Horstmann -5 MinutenMitarbeiter finden

Vorzeitige Ausbildungsabbrüche beschäftigen Betriebe über alle Branchen hinweg. Die Gründe sind vielfältig: Unzufriedenheit im Betrieb, persönliche Gründe wie Krankheit oder eine andere Vorstellung vom Beruf. Einigen häufig wiederkehrenden Gründen können Betriebe durch ein gutes Onboarding und eine offene Kommunikationskultur vorbeugen. Viele Weichen dafür werden während der Probezeit gestellt, manche sogar davor. Wir geben Tipps, worauf Sie beim Bewerbungsgespräch und in den ersten 100 Tagen der neuen Auszubildenden achten sollten.

2019 wurden bundesweit 154.149 Ausbildungsverhältnisse gekündigt. Das geht aus dem Berufsbildungsbericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hervor.
Die Gründe, die die Auszubildenden für die Abbrüche angeben, haben laut Bildungsministerium zum größten Teil mit den betrieblichen Strukturen zu tun. Das größte Problem ist eine alte Bekannte: die Kommunikation. Mangelnde Kommunikation und Konflikte mit den Ausbilderinnen bzw. Ausbildern führen die Liste der Gründe an, es folgen eine mangelhafte Ausbildungsqualität und schlechte Arbeitsbedingungen. Die Ausbildungsbetriebe gaben hingegen andere Gründe an: Mangelnde Leistungsbereitschaft, Überforderung und fehlende Identifikation seitens der Auszubildenden wurden hier am häufigsten genannt. Doch das Bildungsministerium weist darauf hin, dass diese Befragung allein noch keine Ursachenanalyse darstelle. Denn: Nachträgliche Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen trüben das Bild.

Gute Ausbildung sichert Fachkräfte

Wie wichtig eine qualitativ hochwertige Ausbildung schon im Hinblick auf Fachkräftesicherung ist, zeigt der Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Nur 62,7 Prozent aller Auszubildenden würden ihren Ausbildungsbetrieb weiterempfehlen – im vierten Ausbildungsjahr sinkt diese Quote sogar auf besorgniserregende 48,2 Prozent. Stehen ihnen hingegen regelmäßig Ausbilderinnen und Ausbilder zur Seite, würden sie zu 77,6 Prozent eine Ausbildung in ihrem Betrieb weiterempfehlen. Bei ausreichender Erklärung betrieblicher Vorgänge durch diese Ausbildungsbeauftragten steigt die Zahl sogar auf 84 Prozent.

Das zeigt: Eine kompetente und regelmäßige fachliche Betreuung sowie eine gute Kommunikationskultur entscheiden maßgeblich darüber, wie wohl sich Auszubildende im Betrieb fühlen – und damit auch, ob sie ihre Ausbildung beenden werden. Faktor A hat einige Punkte zusammengestellt, auf die jeder Ausbildungsbetrieb achten kann.

  • Seien Sie von Anfang an transparent: Viele der Gründe für Ausbildungsabbrüche lassen sich schon beim Bewerbungsgespräch durch Transparenz abschwächen. Welche Betreuung dürfen Auszubildende bei Ihnen erwarten? Welche Leistungen bieten Sie, wie oft müssen Azubis bei Ihnen schon von Anfang an mit anpacken? Und zu den Arbeitsbedingungen: Klären Sie im Vorfeld eindeutig, wie bei Ihnen im Betrieb beispielsweise mit Überstunden umgegangen wird. Wenn hier Missverständnisse entstehen, kann das schnell zu Unzufriedenheit führen.
     
  • Versuchen Sie, die Vorstellungen der Bewerberinnen und Bewerber zu verstehen: Nicht allen jungen Menschen, die sich bewerben, ist klar, wie der Alltag in Ihrer Branche wirklich aussieht. Viele Dinge, die für Sie alltäglich und selbstverständlich sind, haben die Bewerberinnen und Bewerber so noch nie erlebt. Wie viel Zeit nimmt beispielsweise Akquise oder das Schreiben von Rechnungen in Anspruch? Welche Möglichkeiten haben die Azubis, sich bei Ihnen einzubringen?
     
  • Heißen Sie Ihre Auszubildenden willkommen – und loben Sie: Egal, ob bei Ausbildungsbeginn oder nach 30 Jahren im Berufsleben: Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer möchte sich willkommen fühlen. In einer vom ersten Tag an offenen und wertschätzenden Kommunikation legen Sie die Basis dafür, dass Kritik nicht missverstanden wird. Wenn sich die Auszubildenden nämlich nicht wertgeschätzt fühlen, dann kann es dazu führen, dass sie bei Verbesserungsvorschlägen und Ratschlägen abblocken und unzufrieden werden. Lob ist nach wie vor eine seltene Ressource in deutschen Arbeitsverhältnissen, was Folgen für die Zufriedenheit im Job und die Identifikation mit dem Arbeitgeber im Allgemeinen hat – auch bei Auszubildenden. Der Spruch „Nichts gesagt ist genug gelobt“ stimmte wohl nie, aber heute ist er endgültig empirisch widerlegt. Deshalb: Loben Sie bei guten Leistungen, kritisieren Sie nicht nur.
     
  • Begreifen Sie Ihre Rolle größer: Von der Schule direkt in die Ausbildung: Für viele Auszubildende bedeutet der Schritt ins Arbeitsleben das Kennenlernen einer ganz neuen Welt. Neben dem fachlichen Know-how lernen die Auszubildenden bei Ihnen auch, sich im beruflichen Kontext zu verhalten. Während man in der Schule Pünktlichkeit erwerben kann, gilt das für Eigenverantwortung und Initiative nicht uneingeschränkt. In einem guten Onboarding können Sie Auszubildende aktiv an diese Punkte heranführen. Denken Sie immer daran: Viele Menschen, die direkt aus der Schule kommen, sind es gewohnt, dass Lehrerinnen und Lehrer sie etwas fragen – und nun wird von ihnen verlangt, dass sie von sich aus etwas sagen. Auch hier liegt ein großes Potenzial für Missverständnisse: Denn wenn Auszubildende nichts ansprechen, heißt es nicht immer, dass sie wunschlos glücklich sind. Je früher Sie ein Kommunikationsklima herstellen, in dem sich Ihre Auszubildenden sicher fühlen, desto eher werden Sie wissen, was sie wirklich beschäftigt. Und das ist wichtig! Denn wie oben bereits angesprochen, ist schlechte Kommunikation und ein daraus resultierendes schlechtes Betriebsklima der Hauptgrund für Abbrüche durch die Auszubildenden.

Transparenz, Kommunikation und Wertschätzung – diese Punkte sind nicht nur bei Ausbildungsbeginn wichtig, sondern Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wünschen sie sich für ihr gesamtes Berufsleben. Doch besonders am Anfang, wenn Auszubildende vielleicht unsicher sind, wie sie sich im neuen Arbeitsumfeld verhalten sollen, ist es Ihre Rolle als Ausbilderin bzw. Ausbilder, Ihre neuen Mitarbeitenden nicht nur fachlich an die Hand zu nehmen. Mit einem offenen Vorstellungsgespräch und einem guten Onboarding gelingt das – und dann steht einer guten Zusammenarbeit nichts mehr im Wege.

Hintergrund

Wie geht es Auszubildenden im Job?
Laut Ausbildungsreport 2020 des DGB sind 71 Prozent der Befragten „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ mit der Ausbildung. Demgegenüber stehen 6,1 Prozent, die „eher“ oder „sehr unzufrieden“ sind. Woran liegt das?

Ausbildungsfremde Tätigkeiten: 12,1 Prozent der Auszubildenden gaben an, „häufig“ oder „immer“ ausbildungsfremde Tätigkeiten ausführen zu müssen.

Fachliche Anleitung: 8,3 Prozent der Auszubildenden haben keinen Ausbilder bzw. keine Ausbilderin – 10,5 Prozent gaben an, dass die Ausbilderin bzw. der Ausbilder „selten“ oder „nie“ präsent sei. Damit ist knapp ein Fünftel der Azubis ohne angemessene fachliche Betreuung.

Betreuung durch Ausbilderinnen und Ausbilder: 13,4 Prozent gaben an, „selten“ oder „nie“ ausreichende Erklärungen für Arbeitsvorgänge zu bekommen.

Wahl des Berufs: 21,7 Prozent der Auszubildenden lernen einen Beruf, den sie eigentlich nicht machen wollen; 6,3 Prozent geben sogar an, ihr Beruf sei lediglich eine „Notlösung“.

Berufsschule: Nur 56,6 Prozent der befragten Auszubildenden gaben an, dass die fachliche Qualität ihrer Berufsschule „gut“ oder „sehr gut“ sei.

Überstunden: Rund ein Drittel der Befragten muss regelmäßig Überstunden leisten. Das wirkt sich unmittelbar auf die Zufriedenheit in der Ausbildung aus.


Titelfoto: ©iStock/AleksandarGeorgiev